Die Stadt belagert und mit Sturm genommen am 28. März 1745

Bericht von Franz Seraph Scharrer (Chronik der Stadt Vilshofen).


Da Nachricht gekommen war, dass eine französische Armee zum Schutze des Kaisers und Kurfürsten Karl Albrecht heranmarschierte, setzten sich die österreichischen Truppen jenseits des Inns in Bewegung. Sie eroberten Pfarrkirchen, das Schloss Griesbach und zogen gegen Vilshofen, welches durch die Bayern wieder in etwas befestigt worden war, indem alte Schanzen repariert, Palisaden und spanische Reiter aufgerichtet, die Stadttore mit Eisen beschlagen und die Laufgräben vertieft wurden. Der in Vilshofen kommandierende General Chaffat hatte den feindlichen Truppen - größtenteils Warasdiner, Banater und Ungarn, und nur bei 300 Mann reguläre Soldaten - entgegenrücken wollen, ehe sie sich verstärkten. Er hatte 600 Pferde von den Hessen, welche bei Aunkirchen standen, dazu beordert, aber diese weigerten sich, indem sie nur Befehl hätten, bei der unmittelbaren Verteidigung Vilshofens mitzuwirken und so unterblieb der vorgehabte Auszug.

Am 26. März erschien der Feind vor Vilshofen; drei Obergenerale, Batthyany, Bernklau und Braun (Brown), werden genannt, außerdem muss sich noch ein Halbdutzend anderer Generale beim Belagerungskorps befunden haben. Aus dem erhellt zur Genüge, dass es doch mehrere Tausend Mann stark gewesen sei. Was die Garnison in der Stadt betrifft, ist von zwei Obersten die Rede, von einem Oberstlieutenant der bayerischen Leibgarde, vom Major des Freibataillons und von zwei Husarenrittmeistern. Mit Munition war sie nicht im Überfluss versehen.

Chaffat wurde von den Österreichern aufgefordert, den Platz zu übergeben, dessen aber er sich weigerte. Am 28. März nachmittags sind die Batterien der Feinde aufgepflanzt und wird das Feuer von der oberen Seite der Stadt her eröffnet. 1000 Hessen waren dort zur Verteidigung aufgestellt, aber sie verhielten sich sehr zaghaft, obwohl ihnen eine kleinere Macht gegenübergestanden wäre. Ein hessischer Oberst kam vor das Bett des kranken Generals Chaffat und meldete, das wegen Heftigkeit des Feuers der Posten nicht mehr behauptet werden könnte. Mittlerweile retirierten die Hessen schon und ihnen nach auf dem Fuße rückten die Warasdiner und Grenadiere gegen das obere Stadttor heran. Nachdem sie die Barrieren und Barrikaden niedergehauen hatten, schlugen sie in das Stadttor ein großes Loch und drangen ein, die Hessen hatten ihre Gewehre weggeworfen.

Der bettlägerige Chaffat erhielt eine aus 16 Mann bestehende Sicherheitswache, die aber mit Not ihn vor dem Tode schützt. Die Ungarn benahmen sich wie wütend, ein hessischer Offizier wurde an der Seite des österreichischen Generals Bernklau von ihnen niedergeschossen, General Braun, der abwehren wollte, verwundet. Die ganze Nacht dauerte das Feuer und die Massacre bis zum hellen Tage, so Chaffat. Die Leute, die geblieben sind, wurden gar nicht in das Totenbuch eingetragen. Buchner in seiner bayerischen Geschichte lässt auch einen großen Teil der Bürgerschaft durch die Feinde hinmorden; in den freilich lückenhaften Vilshofner Aufschreibungen findet sich davon keine Spur, aber auch nicht in den Sterbmatrikeln. Der Glaser Johann Kaspar Lutz erhielt „beim nächtlichen Übergang einen feindlichen Schuß, der ihm viele Schmerzen und Unkosten kausierte (verursachte).“ Dies meldet ein Akt in der Stadtregistratur. Sicher übertrieben ist Buchners weitere Angabe, als ob die ganze Besatzung hätte über die Klinge springen müssen; denn die Vilshofener Stadtrechnung spricht von Kriegsgefangenschaft derselben und gedenkt auch bayerischer und hessischer Soldaten, denen nach Einnahme der Stadt Brot, Fleisch usw. gereicht werden musste. Es bedarf nicht vielen Nachdenkens, um einzusehen, dass Angaben größerer Geschichtswerke durch Aufzeichnungen in den Registraturen oft kleinerer Orte verbessert oder berichtigt werden können. Ein Vilshofener Stadtschreiber vermochte gar wohl zu beachten und genauer zu wissen, was hier oder in der nächsten Umgebung vorfiel.

Die obere Vorstadt niedergebrannt, die Plünderung.

Schon bei Beginn der Kanonade ging das Bräu- und Gerichtshaus in Flammen auf. So nennt General Chaffat in seinem Berichte das gegenwärtige Rentamtsgebäude (Jahnallee 1). Vom Jahre 1740 liegt ein vom Geometer Haas angefertigter Stadtplan vor, welcher den Mittelbau an der Straße nebst den zwei gegen die Donau hinlaufenden Flügeln auch als kurfürstlichen Salz-, Bräu- und Gerichtshof bezeichnet. So erfahren wir denn, dass der landesfürstliche Pfleger wenigstens sein Amtslokal dort hatte.

In der inneren Stadt wurde durch die feindlichen Geschosse drei Häuser in Brand gesteckt, aber es wird das Feuer gelöscht. Unter jenen drei Häusern befand sich auch jenes, in welchem Chaffat krank lag. Aber vergeblich suchte ich nach Aufklärung, was für eines es war. In der oberen Vorstadt konnte man der Flammen nicht mehr Herr werden; weitaus der größte Teil derselben ward über Nacht eingeäschert. Klämpfls Angabe, in seinem Kinzinggau: „Der Feind verbrannte den oberen Teil der Vorstadt“ ist nicht zutreffend, indem Vilshofen zwei Vorstädte hat und dann von der oberen Vorstadt nicht bloß der obere Teil eine Beute der Flammen wurde.

Wir zählten 52 vom Feuer zerstörte Wohngebäude zusammen und könnten die Namen der damaligen und gegenwärtigen Besitzer insgesamt aufführen. Aber es ist leichter, die Häuser zu nennen, welche verschont blieben und diese sind: Obere Vorstadt 34, 32, 30 und aufwärts von diesen das ehemalige Hasenbauerngut (Sailer Mühldorfer, jetzt Schweiklbergstraße 14) und das an selbes anstoßende Haus, also nur solche auf der Höhe der Vorstadt; verschont blieben auch die Häuser in der „Gröppen“ bis auf das Plattner’sche (Kreppe 2), das Vogl-Haus (Kreppe 4) stand damals noch nicht. In wie weit Kloster und Kirche der Kapuziner beschädigt wurden, vermochten wir bis jetzt nicht zu ermitteln.

Der Fortsetzer des Tagebuches von dem inzwischen verstorbenen Marian Pusch weiß zum 28. März nur folgendes zu berichten: „Vilshofen in der Nacht mit Sturm genommen, heraussen alles verbrannt.“ Dass bei jener Zügellosigkeit der Soldateska auch geplündert wurde, verstände sich wohl von selbst. Es spricht aber auch die Stadtrechnung 1744/45 von der „dazumal der Bürgerschaft zugefügten schmerzlichsten Plünderung“. Diese Worte allein geben hinreichenden Beweis; überdies wird noch gelegentlich mehrerer Fälle von Plünderung gedacht, und eine noch viel größere Zahl derselben würde zu unserer Kenntnis gelangt sein, wenn nicht die Ratsprotokolle aus jener Zeit im schauerlichen Brand der inneren Stadt 1794 zu Verlust gegangen wären. Einigen Trost gewährte, dass schon zur Zeit, als Vilshofen diese schwerste aller Heimsuchungen empfinden musste, die Aussicht auf ein nahes Ende der Feindseligkeiten zwischen Bayern und Österreich bestand. „Um den anhoffenden baldigen lieben Frieden und um Abwendung fernerer Kriegsdrangsale ließ man (der Magistrat) bei den Herren Patres Kapuziner 10 heilige Messen lesen.

Der Friede zwischen Österreich und Bayern wurde auch wirklich am 22. April zu Füssen im Allgäu abgeschlossen. Unser unglücklicher Kurfürst, Kaiser Karl Albrecht, war gerade drei Monate vorher, am 20. Januar, aus diesem Leben geschieden in einem Alter von nur 45 Jahren. Er hinterließ einen einzigen Sohn, Maximilian III. oder der Gute, wie er von seinem Volke mit Recht genannt wurde. Gemäß dem Füssener Vertrag wird der junge Prinz in alle Länder seines Vaters eingesetzt, muss aber die pragmatische Sanktion anerkennen, nämlich dass Maria Theresia rechtmäßige Erbin aller österreichischer Länder ist. was eben sein Vater angestritten hatte. Die Veröffentlichung des Friedensschlusses erfolgte am 27. April. Am 3. Juli ließ der Rat, „um Gott dem Höchsten den schulddemütigsten Dank abzustatten, in allhiesiger Stift- und Stadtpfarrkirche ein heiliges Danksagungsamt abhalten.

In die eroberte Stadt hielt der oberstkommandierende General Batthyany mit den unterstehenden Truppen einen feierlichen Einzug. Es erschien der Magistrat vor demselben und machte ihm ein „Regal“ von allerhand Wildpret und Konfekt, „um Abwendung ferneren Brandes und Plünderung.“ Eine österreichische Besatzung blieb noch hier bis zum 16. Juni.

Dieser Krieg zerrüttete, wie noch keiner, den Wohlstand der Bürger und belastete in hohem Grad die städtische Finanz. Während der vier Jahre von 1742-1746 nahm die Kommune 28000 Gulden auf, auch noch in der nachfolgenden Zeit war sie gezwungen, um solche sich umzusehen, da die Ausgaben wuchsen und die Einnahmen stockten. Eine Menge Ausstände von Zinsen ihrer Aktivkapitalien, von Gilten und andern Reichnissen wird fort und fort verzeichnet, und das Guthaben von Interesse beim Staate im Betrag von etlichen tausend Gulden musste später ganz abgeschrieben werden- und gingen mit anderen Worten zu Verlust. 2000 Gulden hatte die Stadt zu dem hohen Zinsfuß von 6 Gulden geliehen erhalten - 5 Gulden waren übrigens damals nichts Seltenes - der Rat beeilte sich, selbe dem Gläubiger, einem Passauer Handelsherren, schon nach dem ersten Jahre zurückzubezahlen.

Wie schwer der Vermögensstand der Bürger geschädigt worden sei, mag die Tatsache bezeugen, dass innerhalb der nächsten 20 Friedensjahre allein neun Häuser an dem Stadtplatze auf die Gant gerieten, Nr. 2,4,6, 11, 14, 16, 23, 24 und 26. Mehrere derselben, wie auch solche in anderen Stadtteilen, waren Jahre lang unbemaiert und standen öde. Gleichfalls bei 20 Jahre ging es her, bis die abgebrannten Häuser der oberen Vorstadt alle aufgebaut wurden. Die zwei Häuser dieser Vorstadt Nr. 42 (Weber’sche Hafnerei) und Nr. 14 (jetzt Münchner Hof) sind, das eine 1751, das andere 1764 noch Brandstätten.

Ein anderer Beweis für die Verarmung der Bürger in Vilshofen war die Erlaubnis von Seite der Regierung, „ihnen, wenn sie es verlangen, Sammlungspatente auszustellen, gemäß welchen sie in den Städten und Märkten, dann auf dem Land und besonders bei den Gotteshäusern und milden Stiftungen Brandsteuer erbitten dürfen.

Auch wurde den Abgebrannten die noch vorhandenen Palisaden und die bei dem Bräuhause zu entratenden Floßhölzer verabreicht.

Als eine große Wohltäterin für die Stadt erwies sich Maria Theresia von Österreich; freilich war ihretwegen auch der Krieg ausgebrochen. Als sie auf ihrer Reise zur Kaiserwahl in Frankfurt Monat September 1745 hier durchkam, und ihr der Magistrat die traurige Lage der Stadt vorstellte, überwies sie demselben ein Geschenk von 1000 Dukaten, a 4 Gulden 15 Kreuzer, zusammen also 4250 Gulden Der Fortsetzer des Tagebuches von Marian Pusch und ihm nach Klämpfl schrieben irrig 1000 Gulden. Von den 1000 Dukaten wurden ungefähr drei Viertel unter die Bürgerschaft und die anderen Einwohner verteilt, das übrige aber der erschöpften Kammerkasse zugewendet.

Die landesfürstliche Regierung, gewährte der Stadt, wie nach dem Spanischen Erbfolgekrieg vor 30 Jahren, den Bierpfenning, dann auf einige Zeit den Nachlass jener 120 Gulden, welche die Kommune für die Ausübung des Stadtgerichts jährlich bezahlen musste, ferner den Bezug der Steuer, welche der Fiskus von dem aus der Stadt gebrachten Vermögen einzunehmen hatte.

Noch nach Jahren wurden vom Magistrate Gesuche gestellt, welche dahin zielten, der Ebbe in der Stadtkasse abzuhelfen - die Einkünfte zu vermehren, jedoch von der Regierung zurückgewiesen. So war eine Erhöhung des Pflasterzolls vorgeschlagen, dann die Erhebung einer Gebühr von dem auf der Donau ins Ausland geführten Getreide, von dem durch hiesiges Salzamt an Fremde verkauften Salz, von dem in den kurfürstlichen Bräuhäusern Kelheim und Schwarzach hergestellten weißen Bier. Diese Auflagen sollten dann an die Kommune Vilshofen abgeführt werden.