Hinweise auf die Aldersbacher Klosterbrauerei im Tagebuch des Barockprälaten Engelbert Vischer.

aus: Robert Klugseder: Tagebuchaufzeichnungen des Barockprälaten Engelbert Vischer von Aldersbach, in: Passauer Jahrbuch 63 (2021).




Abt Engelbert Vischer stellt eine der herausragenden Persönlichkeiten unter den Aldersbacher Klostervorstehern dar. Vischer setzte sich mit dem barocken Neubau größerer Teile des Konvents ein bis heute bestehendes Denkmal. Der Prälat war jedoch auch ein erfolgreicher Ökonom und Brauereiverantwortlicher, das Kloster konnte sich während seines Abbatiats wirtschaftlich von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges erholen und so die finanziellen Mehrbelastungen, die durch die Türkenkriege und den Pfälzischen Erbfolgekrieg während der Regierung des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel (reg. 1679-1726) entstanden, kompensieren. Die bisher von der Forschung nicht berücksichtigten tagebuchartigen Eintragungen Vischers in gedruckten Kalendarien der Jahre 1696, 1697 und 1700, die heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München aufbewahrt werden, vermitteln einen Eindruck in das Gesellschaftsleben und das „Netzwerk“ eines niederbayerischen Prälaten am Vorabend der Auseinandersetzungen um die Regelung der spanischen Erbfolge.

Joseph Christian Vischer, der spätere Abt Engelbert, wurde in Gossersdorf geboren und am 7. Oktober 1647 in der Pfarrkirche Konzell (Landkreis Regen) getauft. Gossersdorf war zu dieser Zeit jedoch eine kurfürstliche Hofmark, die nicht von einem Pfleger, sondern von einem Brauverwalter geleitet wurde. Seit etwa 1600 bestand hier eine Weißbierbrauerei, die eine große Bedeutung für die Hofmark innehatte. In Amtsrechnungen und Faszikeln lässt sich der Vater des späteren Abtes nachweisen: Christian Vischer auf der Pixen bei Viechtach bewarb sich im Jahr 1640 erfolgreich um die Anstellung als kurfürstlicher Preuverwalter. Der Vater war von Jugend an als Schreiber an Landgerichten tätig, in den Jahren 1635 und 1636 als Oberschreiber in Viechtach, wo er für einkhauffung Waizen vnd Hopfens aus Behaimb [Böhmen] Zum Preuhaus aldort zu Viechtach, vnd anndern Preuambts sachen zuständig war. Nach dem Tod des Vaters scheint die Familie zurück nach Viechtach gezogen zu sein, zumindest wird der Ort im „Aldersbacher Grabsteinbuch“ als Heimat des Abtes genannt.





Abt Engelbert Vischer (2.v.r.) bei der Abtweihe in Raitenhaslach im Jahr 1701. Foto: Johannes Hoffmann und Anne Mischke-Jüngst:
Das "Hagnauer Bild“ - Ein Portrait Abt Balduin Helms, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck 30, 2016.





Frater Engelberto tritt in Aldersbach am 25. November 1669 zum ersten Mal und bereits in der Funktion als Subdiakon in der Wahlbestätigungsurkunde Abt Malachias Niderhofers (reg. 1669-83) in Erscheinung. Vischers Profess erfolgte vermutlich zwei bis drei Jahre zuvor, also noch während des Abbatiats von Gerhard Hörger (reg. 1651-69). Die Ordination Vischers zum Priester erfolgte am 21. September 1675. Vor seiner Wahl zum Abt am 21. Februar 1683 hatte Engelbert das Amt des Priors inne. Der Aldersbacher Pater und Chronist Michael Mannstorff beschreibt den Abt folgendermaßen:


Bald darauf wurde durch formliche Wahl zur Abbtey beruffen Engelbertus Fischer, ein Mann von grossem Verstand und Beredsamkeit, übernahme dise Würde den 21 Februarij obgemeldten 1683. Jahrs ware auch dem Ansehen nach hierzu gebohren, und bey damahligen Bischoffen zu Passau Cardinalen sehr wohl angesehen. Er beförderte die Studia, und hatte auch gelehrte Leuth unter sich, die er vor anderen liebte, seine eigene Schrifften geben zu erkennen, wie wohl beredt und vernünfftig er gewesen seye. Er führte verschidene nutzliche und löbliche Gebäude, so wohl zu Nutz des Convents, als derer Expositorum; die Observanz derer Ordens Statuten besorgte er nicht nur in hiesigem, sondern als Vicarius Generalis auch in anderen Clöstern des Bayer-Lands, und Oberen Pfaltz; nicht weniger auch das oeconomicum, worinnen er durch seine Belesung vil Nutzen geschaffet. Nach ungefehr 22 Jahren aber legte er die Burd der Regierung freywillig von sich, und gleichwie er ein Verehrer der Mutter Gottes ware, brachte er seine letzte Jahre in Samarey zu, bezeugte auch seinen Marianischen Eyffer mittelst eines Tractats, oder Beschreibung von dasigem Gnaden-Orth, so er sub anagramatico nomine in Druck gegeben. Anno 1724 . beschlosse er allda seinen Lebens-Lauff, der Leichnam wurde hieher gebracht, und gebührend zur Erden bestattet.

Darüber hinaus bietet das Aldersbacher Grabsteinbuch weitere Details: Vischer erbaute ein Priesterhaus in Sammarei und errichtete in der dortigen Gnadenkapelle einen neuen Altar. Er war auch Bauherr des Dormitoriums (Osttrakt) und des Südosttraktes des Klosters. Den Kirchenschmuck vermehrte Abt Engelbert mit sechs großen und vier kleinen Silberleuchtern, einer Statue des Gekreuzigten und vielen anderen silbernen Gefäßen. Die Bibliothek erweiterte er um wertvolle Bücher. Am 17. Oktober 1705 resignierte der Abt (angeblich) freiwillig und verbrachte den Rest seines Lebens im Priesterhaus in Sammarei, wo er am 20. Juli 1723 verstarb. Seine sterblichen Überreste wurden nach Aldersbach gebracht und beigesetzt. Laut Grabsteinbuch wurde Vischer im wenige Jahre zuvor neuerbauten Kirchenschiff vor den Stufen zum Chor (Kommunionbank) bestattet.




Abt Vischer als Brauereiverantwortlicher

Im 16. und 17. Jahrhundert entwickelte sich die Brauerei zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Dass Engelbert Vischer aus einer Familie stammte, die sich seit Generationen als Verwaltungsbeamte mit dem Brauwesen beschäftigte, hatte seinen Ambitionen, zum Abt gewählt zu werden, sicher nicht geschadet. Ähnlich wird es sich bei Abt Theobald II. Reitwinkler (reg. 1745-1579) verhalten haben, ein Sohn des fürstbischöflichen Braumeisters Johann Georg Reitwinkler von Passau-Hacklberg. Die zu Beginn dokumentierten Familienverhältnisse Vischers im Viechtacher Umfeld können die in den Tagebucheintragungen erkennbare Affinität zum Brauwesen im Allgemeinen und zu den Braubeamten und Brauern im Speziellen erklären.

Zurzeit Abt Engelberts waren mehrere Personen für die Brauerei zuständig. P. Alberich Mayr († 1697) war Praefectus cerevisiae et praxatorum (Präfekt des Bieres und der Brauer). Der „Geschäftsführer“ war der Preüverwalter, der für die Herstellung Verantwortliche der Preümeisster, Verwalter und Braumeister waren gelegentlich zu Gast in der Prälatur.

In den Aldersbacher Pfarrmatrikeln wird im Jahr 1696 ein Balthasar Gößl als praxator noster bezeichnet, welche konkrete Funktion (Verwalter, Braumeister oder Brauer) er innehatte, kann nicht festgestellt werden. Balthasar heiratete am 14.02.1696 Maria, Tochter des 1694 verstorbenen Klostergärtners Michael Sprunzinger. Balthasars ebenfalls verstorbener Vater Christoph war zu Lebzeiten Ökonom und Zythopöeus (Bierbrauer) in Landau. Gößl starb am 19.01.1737 als 88jähriger (* 1649).

Besonders wichtig scheint dem Abt ein gutes Auskommen mit den kurfürstlichen Braubeamten (Brauverwalter Gregor Reisacher und seinem Braumeister) in Vilshofen gewesen zu sein, die, wie bereits erwähnt, immer wieder zu Gast in Aldersbach waren. Das Kloster war als Weizenhändler tätig und lieferte das Getreide an das Kurfürstliche Brauhaus der Donaustadt. Nachfolgend einige Beispiele:

22.01.1696Preüverwalter, Gerichtschreiber Unnd Preümeisster schauen den Waitzen ... handle mit denen Herrn Preübeambten wegen dess Waitzen, Sie versprechen vor das Schaff 10 Gulden zegeben. Versprich ihnen 120 Schaff zegeben. ist hart hergangen. trauet kheiner dem anderen.
25.01.1696An Pauli bekherung tag rayse nach Uttigkhofen wegen dess Waitzen so mir Herr Dechand anerbotten. Will .10. Schaff hergeben, unnd .12. Landauer darauf, solte ihme solch zallen, wie sie denne zu Vilßhofen mir zallen. Ist khein gewinn dabey. Vorderest weilln wür solchen den .31. huius selbsten algehollt. 08.04.: Schikhe auch die Johanna Herrn Dechand von Uttigkhofen, sein Waitz gelt von .10. Schaff wider zu 16. Gulden so ∞ 160 f — x.
07.02.1696Den .7. Febr: thuen wür die erste liferung Waitz in das Preühauss, haben sich an .60. Schaff .1. Schaff .20. Metzen eingemessen. 23.02.: P. Casstner unnd Stephan mit dem Waitz nacher Vilßhofen. Bey der anderten Waitz liferung so den .23. huius geschehen hat sich widerumb eingemessen .1. Schaff .3. Metzen. waren .45. Schaff 8. Landauer 29.03.: P. Casstner unnd Stephan mit dem Waitz nacher Vilßhofen. geschiehet die Letze liferung mit Waitz in das Preühauss Vilßhofen. NB. haben nit mehr annemmen wollen als 28. Schaff wegen aines lären geschwätz, als hette von Herrn Goder .6. Fuhren, unnd von Herrn Dechand zum andertenmall Waitz angenommen. ist doch componiet worden. Preümaisster ist darann schuldig gewesst.
01.04.1696Khommen die Herren Preübeambte unnd bringen das Waitzgelt mit sich.
31.01.1697Handle mit deme Herrn Preübeambten wegen dess Waitz. versprich ihnen .120. Schaff Zelifern sie versprechen vor iedes .14. 1/2 Gulden zu bezallen.
21.02.1697Thuen wür die erste Waitz liferung haben an 57 .1/2. Schaff 1 Schaff 7. Metzen eingemesßen. 06.03.: ... geschiehet die andere liferung Waitz in das Churfürstliche Preühauss Vilßhofen. hat sich mingemessen an .52. Schaff 12. d. .1. Schaff 4. Mezzen. 16.03.: ... thuen wür die 3te unnd lezte Waitz liferung, hat sich an 41. 1/2. Schaff eingemessen. 13.04.: Gerichtschreiber. Bringen das Waitz Geldt.
03.01.1700Kommen die Herrn Preübeambte und sehen den Waitz hanndle mit ihnen vor das Schaff 24 Gulden. verspreche 100 Schaff Zelifern, wan ich aber weniger lifere, ists auch recht. tempus, & ratio, dabunt quot.
03.02.1700P. Casstner mit der ersten Waitz liferung nach Vilßhofen. P. Emanuel ex Münsster [Rotthalmünster] propter cerevisia[m] Martia[m] [Märzenbier]. 11.02.: P. Casstner mit der anderten waitz liferung nach Vilßhofen. 11.03. P. Casstner mit der 3ten Waitz liferung nach Vilßhofen.

Es dürfte sich hier um Winterweizen handeln. Im Tagebuch wird als Termin für die Aussaat im Jahr 1700 der 10. September genannt, das Schneiden des Weizens (Ernte) erfolgte Ende Juli bzw. Anfang August. Das Ausreifen, Trocknen und Dreschen nahm sicher einige Monate in Anspruch, ob damit die sehr späte Lieferung ab Februar des Folgejahres geklärt ist, muss offenbleiben. Das Volumen eines Schaffs bzw. Scheffels wurde regional und temporal sehr unterschiedlich bemessen, Vischer gibt deswegen das aktuelle Verhältnis zum Metzen an. Ein Metzen Getreide bemaß sich auf etwa 37 Liter. Eine Weizenlieferung von 100 Schaff mit fünf Metzen pro Schaff entsprach somit etwa 19 Hektoliter. Das Hektolitergewicht von Weizen liegt heute zwischen 62 und 87 kg. Legt man den kleinesten Wert zugrunde, hätte die Weizenlieferung also knapp 12 Tonnen auf die Waage gebracht. Bei einem geschätzten Verbrauch von 125 Gramm Getreide pro Liter Weißbier lassen sich aus den 12 Tonnen etwa 900 Hektoliter herstellen. Bemerkenswert ist die Preissteigerung (Gulden für ein Schaff Weizen): 1696: 10, 1697: 14 ½, 1700: 24. Rudolf Drasch nennt als Einkaufspreis für ein Schaff Getreide für die Jahre 1740-1741 einen vergleichsweise niedrigen Preis von 10 Gulden und 25 Kreuzer. Bemerkenswert ist nachfolgender Eintrag vom 25. November 1697 für den Kauf von Hopfen: Gebe Herrn Sebastian Georg Glätzl von Passau auf den schon empfangnen, unnd noch empfahnnd Glattauer unnd Satzer Hopffen in abschlag. 464. f. .30. x.. Aldersbach kaufte demnach über den Passauer Zwischenhändler Glätzl böhmischen Hopfen aus Klattau (Klatovy) und Saaz (Žatec), beide Orte sind bekannt für Hopfensorten von sehr hoher Qualität. Das Kloster baute in Aldersbach und in der Region selbst Hopfen an und konnte, wenn notwendig, zusätzliche Ware von regionalen Produzenten ankaufen. Es kann also gut sein, dass Abt Vischer die böhmischen Hopfensorten wegen einer persönlicher Vorliebe beschaffen ließ. Wie eingangs erwähnt, war Vischers Vater Christian für den Einkauf von böhmischen Hopfen zuständig. Viechtach und Gossersdorf liegen nur wenige Kilometer von der böhmischen Grenze entfernt. In der Weißbierbrauerei Gossersdorf wurde zurzeit Christian Vischers ausschließlich Hopfen aus Saaz verwendet. Bei den biographischen Angaben zu den Vorfahren Abt Engelberts erwähnte ich die Bedeutung der Familie seiner Mutter, die seit 90 Jahren als Verwalter des seit 1602 kurfürstlichen Pfleggerichts Linden tätig war. Die Familie der Degenberger, Besitzer von Linden vor 1603, erhielten im Jahr 1548 das selten vergebene Recht, Weißbier zu brauen. „Um sich der Einfuhr des süffigen und beliebten böhmischen Weizenbiers zu erwehren, war ihnen seit dem genannten Jahr gestattet, zwischen Donau und Bayerischem Wald weißes Bier herzustellen und zu verkaufen. Als die Degenberger im Jahre 1602 ausstarben, kamen ihre Güter einschließlich des Weißbierprivilegs teils durch Kauf teils durch Erbschaftsverträge an die Wittelsbacher.“ In der Folge entstanden wenige Weißbierbrauereien in Bayern, eine davon im Jahr 1644 in Vilshofen. Engelbert Vischer ist also ein direkter Nachfahre einer der ersten bayerischen weissen Piersieder. Was Gossersdorf noch mit Aldersbach verbindet: Die Weißbierbrauerei wurde nach der Säkularisation in eine Braunbierbrauerei umgewandelt, seit 1840 befand sich der Betrieb im Besitz der Familie Brandl. Als Max Brandl 1964 verstarb, wurde die Brauerei im gleichen Jahr stillgelegt. Die Rechte auf die Gasthäuser etc. erwarb die Brauerei Aldersbach.