Allerunterthänigster Bericht, was sich zu Vilshofen zugetragen und wie sol­cher Ort schlechter Dingen wider meinen Willen und Anschlag mit stürm­ender Hand von den österreichischen Truppen ist erobert worden.

Bericht des bayerischen Generals Du Chaffat, von Scharrer aus dem Nachlass des Vilshofener Mautbeamten Hier­on­ymus Schmid herausgegen (Chronik Vilshofen).

Wie ich vernommen habe, daß die (österreichischen) Herrn Generale Batthyany, Bernklau und Trips teils von Schärding, teils von Passau den Innfluß passiert und mit ungefähr 2500 Mann bei Ortenburg und Salvator sich versammelt (haben), beinebens gesinnt seien, Pfarrkirchen, Griesbach und Vilshofen zu attaquiren (anzugreifen) und weil ich wohl versichert ward durch meine Spione, daß diese Generale nicht 300 Mann regulirte (abgerichtete) Truppen, bei sich hatten, sondern fast lauter Warasdiner (von der kroatischen Gränze), Bannater (von der ungarischen Gränze) und ungarische Husaren, so hatte ich die Resolution (Entschließung) gefaßt, diese Truppen den selben Tag attaquiren zu lassen; deßhalb ich sämmtliche Herrn Stabsoffiziere zu mir berufen und Kriegsrath gehalten, daß man nicht warten sollte, bis der Feind sich verstärkt, weil mir wohl bewußt war, daß die regulirten Truppen den andern Tag Abends zu ihnen stoßen sollten, also haben wir die Departition gemacht (die Anzahl bestimmt) von Allem, was marschiren soll, sowohl an Kavallerie als Infanterie.

Nachdem solches geschehen war, habe ich den beiden Herrn hessischen Obersten von Germann und Oeffelen sowohl als Herrn Oberstlieutenant von der Leibgarde, dem Major vom Freibataillon und den zwei Husarenrittmeistern anbefohlen, Alles marschfertig zu halten und die angewiesene Mannschaft zu kommandiren, um in einer Stunde aufbrechen zu können.

Obbemeldete Herrn Oberste habe ich gebeten, die Ordre an die 600 hessischen Pferde zu ertheilen, auf das Rendez-vous (Sammelplatz) bei Aunkirchen zu kommen und sich mit unsern Husaren und Dragonern und mit unserer Infanterie zu konjugiren (vereinigen). Hier aber hat schon der Gaul zu hinken angefangen; dann ich bekam zur Antwort, daß diese Kavallerie und Infanterie, welche an der Vils stand, Ordre habe, der Stadt Vilshofen zu sukkuriren (zu Hilfe zu kommen) und bis dahin auf meinen Befehl stehe, aber weiter als bis Vilshofen zu marschiren, müßten sie die Ordre vom hessischen General in Plattling abwarten. Worauf ich geantwortet habe: So sind alle meine Anstalten umsonst, denn der Feind marschirt heute früh noch nach Pfarrkirchen, ohne daß ich solches hindern kann, weil man aller Orten bei ihren (den hessischen) Truppen neue Befehle abwarten soll.

Doch da es bös (schlechtes Wetter) und Regenwetter war, haben wir gemuthmaßt, der Feind könnte ungefähr (vielleicht) die Attaque verschieben, also ist eine Staffette an den hessischen General zu Plattling abgeschickt worden und bin ich in der Hoffnung gestanden. in zwei Stunden eine Antwort zu bekommen, welche aber 19 Stunden ausgeblieben ist und noch dazu die Antwort war, daß er diese Truppen nicht weiter als bis Vilshofen könnte marschiren lassen ohne ausdrückliche Ordre von dem zu Landshut kommandirenden hessischen General. Also ist mein Konzept ganz und gar verrückt und Pfarrkirchen in die Flucht geschlagen (mein Vorhaben gegen Pfarrkirchen zu ziehen vereitelt) worden.

Zwei Tage darnach hat der Feind Griesbach kanonirt und bombardirt und der darin kommandirte Hauptmann Sailer den Ort in 24 Stunden übergeben; er hatte Mundprovision (Lebensmittelvorrath) auf 2 Monate, aber nicht mehr als 5-6000 Patronen zu verschießen, welche auch alle in kurzer Zeit verschossen wurden. Wie ich ihm vorgehalten, warum er in so kurzer Zeit so viele Patronen verschossen, da er doch in einer starken Mauer gesessen und bei 200-300 Schuß des Tages mit langsamerem Feuer hätte abwehren können, habe aber zur Antwort bekommen, daß sich seine Leute vom Feuern nicht abhalten lassen. Billig hätte er mehr Munition haben sollen, aber 5000 Patronen zu verschießen, ohne dem Feinde drei Mann zu blessiren, war mir zu viel. Mit mehr Munition habe ich ihn nicht versehen können, indem ich zu Vilshofen nur 10 Patronen auf den Mann nach Verschießung der Ordinari-Patronen hätte austheilen lassen können (weil nämlich die Belagerung würde länger gedauert haben).

Den 26. März 1745 ist die österreichische Generalität mit Kavallerie und Infanterie auf der Höhe von Vilshofen hinter dem Wald (wird wohl die bis 1804 bestandene städtische Waldung oberhalb des Lindahofs und Mühlböck, rechts und links von der Aidenbacher Straße, gemeint sein) angerückt und haben die Generale den Ort rekognoszirt (Augenschein eingenommen); am 27. ist für die Österreicher Verstärkung eingetroffen und wurde die Stadt infestirt (feindlich gegen sie vorgegangen).

Ich habe alsobald an allen Orten, wo es möglich gewesen, eine Kanone hinzustellen, auf den Feind kanoniren lassen, wovon er zimlich Abbruch gelitten. In der Nacht vom 27. auf den 28. hat der Feind angefangen, seine Batterien zu bauen, welche den 28. zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags zu 32 Stück und 4 Böllern in Stand gesetzt worden. Von unserer Seite haben wir den ganzen Tag auf den Feind kanonirt.

Bis ungefähr 4 Uhr schickte General Graf Batthyany den Rittmeister Graf Caraccioli, welcher die Warasdiner kommandirte, zu mir und ließ mich auffordern, die Stadt zu übergeben; er wolle mir und der Garnison eine ehrliche Kapitulation (annehmbare Bedingungen) zugestehen. Er hätte mich nicht wollen auffordern lassen, bis alle Batterien und Stücke im Stande wäre, und wenn ich daran zweifelte, so wolle er erlauben, daß ich einen oder zwei Offiziere hinausschicke, man werde ihnen alle Batterien zeigen und sie würden finden, daß alle Stücke und Kessel geladen seien und nur Feuer gegeben werden dürfe und wenn ich dieses nicht akzeptire (auf seinen Vorschlag nicht eingehe), soll schwerlich eine Kapitulation zu hoffen sein, indem er sich mit diesem schlechten (gering befestigten) Orte nicht lange aufhalten wollte, sondern es würde Alles in Brand aufgehen.

Worauf ich geantwortet: wenn die Stadt und Vorstadt in Brand aufgeht und man so gerne brennen thue, soll der Herr General wissen, daß ich eine schöne (ausreichende) Garnison habe, mit welcher ich mich in das weite Feld hinter meinen Tranchements (Verschanzungen) zurückziehen und noch lange halten werde. Und noch dazu würde der Herr General keine gute Meinung von mir haben, wenn ich den Ort übergeben sollte, ohne zuvor die Wirkung des Gottes Mars (der Kriegsgott bei den Römern) und seiner Musikanten (Kanonen) gesehen und gehört zu haben; deßwegen sei unnöthig einen Offizier zur Besichtigung hinauszuschicken.

Auf dieses hin verabschiedete sich Graf Caraccioli und ritt dem feindlichen Lager zu; kam aber nicht 500 Schritte von unsern Palissaden weg, als sämmtliche Batterien der Österreicher anfingen, aufs allerschärfste zu spielen und kreuzweis auf die Stadt und (obere) Vorstadt sowohl (die Batterien sind allem Anschein nach am Schweiklberg gestanden) als auf die Palissaden sich stark empfinden zu lassen. Dabei geschah ein remarkabler (merkwürdiger) Stückschuß, welcher einem hessischen Feldscherer den Arm wegriß, als er eben im großen Blockhaus (zur Vertheidigung errichtet) einen Soldaten verband, dem auch eine Stückkugel den Arm genommen hatte.

Die feindlichen Batterien steckten in kurzer Zeit das kurfürstliche Bräuhaus und Gerichtshaus (wie schon gemeldet, jetzt Rentamtsgebäude) in Brand, auch etliche Häuser in der Vorstadt und 2 bürgerliche Häuser (welche es sind, wissen wir nicht) in der Stadt und mein Quartier zugleich, auf welches 3 Haubizen hintereinander gefallen, habe aber durch meine Leute das Feuer löschen lassen. Die 2 Häuser in der Stadt sind durch Zimmerleute und Maurer (als geborne Feuerwehrmänner) auch glücklich gelöscht worden. Das groBe Gebäude vom Bräuhaus (es ist hier insbesondere an das noch stehende lange Flügelgebäude zu denken) und vom Gerichtshaus aber ist ohne alle Hilfe und Rettung in Flammen gerathen.

Worauf der Oberst von Oeffelen, welcher das Kommando in dem oberen Tranchement geführt hat, zu mir vors Bett gegangen, wo ich eben im heftigsten Fieber und Gliederschmerze gelegen, und hat mir präsentirt (die Meldung gemacht), daß der Feind im starken Marsch, die Palissaden zu attaquiren und es sei unmöglich, den Posten am Bräu- und Gerichtshaus zu behaupten, ich solle erlauben, daß der Major, so allda mit etlich hundert Mann kommandirt war, retiriren dürfe, es sei kein anderes Mittel vorhanden, die Leute könnten wegen des Feuers nicht mehr bestehen. Meine Antwort war Wenn das Feuer uns konträr (uns entgegen und zum Schaden) sei, so ist es ebenso für den Feind, also sollte der Oberst auf seinem Posten geblieben sein und den Major das stärkste Feuer haben unterhalten lassen, daß der Feind gehindert wäre, durch dasselbe zu marschiren. Hiegegen wendete er wieder die Unmöglichkeit ein, jenen Platz länger zu behaupten, beisetzend er glaube, daß der Major schon retirire. Ich sprach dem Obersten noch einmal zu, schnell zu gehen und Alles zu thun, damit er diesen Posten nicht, ohne dem Feind großen Abbruch zu thun, verlasse.

Fast im selben Augenblick trat der Major in mein Zimmer und brachte den Rapport, daß er mit seinen Leuten ohne Verlust eines Mannes (in die Stadt), hereingerückt, wiewohl die ungarischen Truppen sie auf dem Rücken verfolgt haben. Zugleich hätte das Feuer in der Vorstadt nicht weit vom Stadtthor viel Schaden kausirt (angerichtet), worauf ich den Obersten bat um Gottes Barmherzigkeit, er sollte sich auf seinen Posten begeben, die Leute würden sonst alle koupirt (abgeschnitten) und niedergemacht, er sollte den Oberstwachtmeister alsobald in der Vorstadt Posto fassen lassen, damit er sich von dem oberen Tranchement retiriren kann, denn ich sehe wohl, der Ort würde mit dem Degen in der Faust emportirt (genommen).

En fin Herr Oberst ging hinaus und postirte so viele Leute in der Vorstadt, als er sammeln konnte, denn die Feinde waren schon allda und retirirte mit seinen Leuten allgemach in die Stadt, doch mit ziemlich großer Schwierigkeit, wiewohl leider! (dies leider gilt der wenig tapferen Haltung der hessischen Truppen) die ganze Attaque nur durch 300 Warasdiner und anderthalb Kompagnien Grenadiere geschah. Die 1000 Mann starken Hessen zogen sich vor der kleinen Macht zurück, welche des obern Tranchements nicht allein sich bemächtigt, sondern auch unsere Leute bis an das Thor verfolgt haben. Der Feind haut die ersten 3 Batterien sammt den Barrikaden nieder, die Hessen werfen mehrentheils die Gewehre weg und laufen in die Häuser. Der Feind fängt an in das Thor zu hauen, und ist bereits ein 6689 Loch gemacht, daß ein Mann durch dasselbe schliefen kann.

Weil man mir berichtet hat, daß die hessischen Soldaten sich ihre Gewehre entledigt und in die Häuser geflohen, schickte ich nach dem Herrn Obersten und befahl: Er soll zur Generalität sich hinaus begeben und die Chamade (Zeichen durch Trommeln usw. daß man mit den Feind unterhandeln wolle) schlagen lassen, und eine möglichst gute Kapitulation zu Stande bringen, daß wir die Bagage salviren (retten) und die Leute der Garnison nicht als Kriegsgefangene, sondern als Kapitulanten unter der Bedingung, auf ein Jahr nicht wieder zu dienen, behandelt werden.

Als der Herr Oberst hinausgekommen, traf er den Herrn General Braun, der ihm alles Gute versprach, jedoch zugleich bedeutete, ei soll hurtig machen, in die Stadt zu kommen, es ginge sonst Alles zu Grunde, da die ungarischen Truppen sich nicht zwingen (nicht mehr unter Botmäßigkeit halten) ließen. Endlich ließ Herr Oberst von Oeffelen das Stadtthor öffnen, nachdem er zuvor einen Oberstlieutenant, einen Kapitän und einen Lieutenant (als Geißeln) an Herrn General Braun übergeben hatte. Mit General Braun drangen auch die Warasdiner und die Grenadiere zum Thor herein, General Braun wollte mit dem Degen abwehren, ist aber von seinen eigenen Leuten blessirt worden.

Da kam Herr Oberst zu mir mit Vermelden, es sei der Feind in der Stadt und er habe General Braun im Tumult verloren. Das Feuer und die Massakre ist alsobald in der ganzen Stadt angegangen und dauerte die ganze Nacht hindurch bis an den hellen Tag.

In dem Augenblick, als die ersten Warasdiner und Grenadiere die Stadt betraten, bewies genannter Graf Caraccioli die Höflichkeit für mich, drang durch das Feuer von beiden Seiten mit 14 Warasdiner und 6 Grenadieren bis zu meinem Quartiere, stellte die Grenadiere vor mein Zimmer und noch weitere zwei Schildwachen auf.

Der mehrere Theil unserer Offiziere salvirte sich in mein Quartier, in der Meinung allda Schutz zu finden. Welches aber bald sehr schlecht ausgefallen wäre, indem die Panduren die untere Wache zum dritten Male überrumpelten und bis zu den Grenadieren hinauf kamen, welche sie aber mit dem Bayonette zurückwiesen. Die Pan duren hatten vor, alle Offiziere niederzumachen.

Endlich kam Herr General von Bernklau selbst zu mir vor mein Bett. Nach einer ziemlich langen Unterredung wollte derselbe die hessischen Offiziere um meiner Sicherheit willen mit sich in sein Quartier nehmen. Wie Herr General auf die Gasse hinabkam, schossen die Ungarn einen hessischen Lieutenant an seiner Seite nieder so daß bemeldeter Herr General necessirt (genöthigt) gewesen, die hessischen Offiziere wieder in mein Zimmer hinaufzuschicken. Er ließ auch zugleich meine Wache verstärken, damit die Insolenzen (Gewaltthätigkeiten) der Ungarn unterwegen bleiben sollten, was auch erreicht wurde.

Bis nach Mitternacht ließ man die Kavallerie in die Stadt einmarschiren; dieselbe eskortirte unsere Offiziere und andere Gefangene zum Thor hinaus, damit solche aus der Gefahr kämen.

Nachher kam General Batthyany mit noch 6 anderen Generalen zu mir. Er schlug mir vor, ich sollte einen Ort im Reiche auswählen, wohin ich mich begeben wolle, er gestatte das auf meine Parole. Ich benannte Regensburg, wo ich bis zu meiner Genesung zu bleiben die Absicht hätte; es wurde mir auch erlaubt auf dem Gütlein meiner Frau in der Nähe von Ulm zeitweiligen Aufenthalt zu nehmen. Des andern Tages ließ er auch den Paß anfertigen mit dem Befehl, mir denselben nicht zu behändigen, bis er weitere Ordre von ihm selbst erhielte. Der Aufschub dauerte drei Wochen. Der kommandirende Offizier mußte aber auf Batthyanys Anschaffung im Passe eine Anderung vornehmen.

Es wurde mir nämlich darin verboten, die Stadt Regensburg zu betreten und befohlen, die Marschroute zu Vilshofen über die Donau und (waldeinwärts) nach Burglengenfeld und Eichstädt zu nehmen. Weil ich aber tödtlich krank war, schlug ich den rechten (geraden) Weg (am Donauufer) mit einer Eskorte von einem Korporal und 3 Mann nach Stadtamhof ein, denn über Berg und Thal hätte ich unfehlbar verderben müssen.

Das Verbot, Regensburg zu vermeiden, habe ich nicht übertreten, da ich Niemanden von meinen Leuten in die Stadt hinübergehen ließ, bis der Friede kundbar geworden. Indessen muß ich beständig Doktor und Barbierer zur Herstellung meiner Gesundheit gebrauchen; kann bis zur Stunde weder fahren noch reiten, nicht eine Viertelstunde sitzen, noch gehen.