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Die von denen Königlich-Hungarisch-Böheimischen Truppen eingenommenen Stadt Vilshofen in Bayern
Wienerisches Diarium vom 03.04.1745
Den 31. erst-abgewichenen Monats ist von der in Bayern stehenden königlichen Armee der General-Feld-Wachtmeister Freyherr von Andlau mit der erfreulichen Nachricht unter Vorreitung 4 blasenden Postillionen alhier eingetroffen / daß von dem gedachter Armee Commandirenden Herrn Generalen Grafen von Bathyani die mit feindlichen Truppen stark besetzt-geweste Stadt Vilshofen den 28sten ejusdem glüklich erobert worden. Der eigentliche Verlauf dieser unternommenen Entreprise bestehet in folgenden: Daß / nachdeme man von Seiten vorbesagter in Bayern befindlichen Armee mit denen Kriegs-Operationen vor Heuer wiederum den Anfang zu machen entschlossen / bemeldter Commandirender Herr General Bathyani den 21. pass. ohngeachtet der dazumalen noch angehaltenen rauch- und stürmischen Witterung / auch wegen des eingefallenen häuffigen Regens / schwär zu practiciren gewester Strassen in 3. Colonen über Passau / Scharding / und Braunau den Inn passiret / sofort gegen den Feind vorgeruket / gleich Anfangs aber den Herrn Generalen Baron von Trips mit seinem unterhabenden- und dem Baronaischen Husaren-Regiment voraus in die Gegend Pfarrkirchen detaschiret hat / um die darinnen belegene feindliche Garnison zu coupiren; welches dan auch soweit geglüket / daß der General Trips die feindliche Vor-Truppen bey Trieftärn attaquiret / einige ihrer Husaren niedergemachet / und den Uberrest nach erwehntes Pfarrkirchen zu retiriren genöhtiget / worinnen die Besatzung in 600 Köpfe bestunde / und ob zwar selbe anfänglich stark heraus feurete / ergriffe Sie jedoch bald darauf die Flucht / als unsere Husaren mit dem Säbel in der Faust den Angrif gewaget / welche auch in Ersehung dessen denen Flüchtigen eilfertigst nachgejaget / und viele derenselben niedergehauen / dann einen Hauptmann / so die Infanterie commandirte / nebst 3 Ober-Officiers / und über 200 an Unter-Officiers / und Gemeinen gefangen bekommen. Bey welcher Affaire mehr angeführter Herr General-Feld-Wachtmeister von Trips sich besonders distinquirte. Nachdeme nun der seine Laage halber wichtige Posto Pfarrkirchen unserer Seits mit Truppen hinlänglich versehen / und zu dessen Soutenirung alle Dispositiones angekehret wurden / liesse der Commandirende Herr General Graf Bathyani wiederholten General-Feld-Wachtmeister von Trips nacher Arnstorf vorruken / um Mine zu machen / als ob man der feindlichen Garnison zu Vilshofen die retraite an die Isar zu übenehmen willens wäre. Inzwischen marschirte der General-Feld-Marschall-Leutenant Baron von Bernklau mit seiner Colone den 23. gegen Grießbach / griffe hertzhaft an / und obgleich der feindliche Commandant daselbst / sich zur Gegenwehr gesetzet / ist er dannoch folgenden Tags durch die hinein geworffene Bomben sich samt der in 3 Officiers und 106 Mann bestandenen Garnison auf Discretion zu ergeben gezwungen worden; hierauf nahme Tripps den weiteren Marsche mit sammentlichen Hussaren und 400 Warasdinern auf Eichendorf um Vilshofen desto enger eingeschlossen zu halten / und selben die Communication abzuschneiden / wo immittelst auch der commandirende Herr General mit dem übrigen Corpo auf jetzt besagtes Vilshoffen anruckete / und liesse nach vorhero zur förmlichen Attaque gemachten Veranstaltungen den 28. Nachmittags um 2 Uhr dortige Garnison durch des Lobkowitzischen Regiments-Rittmeistern Herrn Grafen Caraccioli ordentlich aufforderen / dieweilen aber der darin geweste Commandant General du Caffat zur Ubergab sich keiner dings bequemen wolte / sondern den Ort zu vertheidigen entschlossen ware / wurde aus der schon in allen Batterien aufgeführten Artillerie hinein zu spielen angefangen / zugleich das ausserhalb der Stadt sehr stark befestigte Bräu-Haus in Brand gesteket / folgbar auch von beeden Seiten / als auf dem rechten Flügel durch den Herrn General-Feld-Marschall-Leutenant Grafen von Broune / so die Bannatische Croaten zur Avant-Garde hatte / dann auf dem linken Flügel durch den ebenfältigen Herrn Genera-Feld-Marschall-Leutenant Baron von Bernklau / welcher die Warasdiner voraus gehabt / wie ingleichen über der Vilz durch den Herrn General-Wachtmeister Baron von Schmertzing gegen der Stadt die Attaque vorgenommen / auch solche durch dieser Herren Generalen / wie nicht minder des Eingangs benannten Herrn General-Feld-Wachtmeister Freyherrn von Andlau / so die Gränadiers commandirte / erwiesene Tapferkeit / und kluge Anführung dergestalten glüklich prosequiret / daß nicht allein Officiers und Gemeine mit ausserordentlichem Mut und Standhaftigkeit die auf allerhand Art befestigte / und mit darhinter gestanden feindlichen Truppen wol-besetzte Pallisaden daselbst überstigen / sondern auch mit gleichem Success an die Stadt-Thöre avancirten / und selbige einzuhauen anfiengen / worauf endlichen der Feind / wiewol zu spat / angesehen die Unserige mit Gewalt in die Stadt eindringeten / Chamada schlagete / es ware also für die Garnison / worunter 2 gantze Hessische Regimenter / als jenes des Königs / und das vom Printzen George, samt Fahnen / und Stuken begriffen / kein anderes Mittel übrig / als sich sammentlich auf Discretion zu ergeben / und das Gewehr zu streken. Die mit voller Wuht eingedrungene irregulirte Truppen jedoch seynd ohngeachtet aller von dem Commandirenden Herrn Generalen angewendeten Mühe weder mit guten / noch mit Droh-Worten / ja dem gebrauchten Ernst selbsten gleich Anfangs nicht abzubringen / und zu bändigen gewesen / daß selbe von einer Massacre, worinnen biß 300. Mann von ihnen in der ersten Furie umgebracht worden / sich hätten abhalten lassen / wordurch sie vornemlich wegen Burghausen / welchen Namen sie während dieser Begebenheit, öfters ausgeruffen / die Rache ausüben wollen / alwo nemlich ihnen Bayerischer Seits mit den üblen Beyspiel vorgegangen worden / da wider den Innhalt der damals geschlossenen Capitulation etliche hundert ihriger Lands-Leuten / so bey der feindlichen Eroberung sothaner Stadt Burghausen in Kriegs-Gefangenschaft gerahten / und sich schon ergeben gehabt / gegen alle Kriegs-Regul und Gebrauch von denen Bayern unbarmhertziger Weise getödtet worden seynd.
Die Zahl derer zu Vilshofen überkommenen feindlichen Kriegs-Gefangenen / desgleichen / was an Artillerie / Munition / Proviant und sonstigen Gerähtschaften eroberet worden / ist zur Zeit noch eigentlich nicht bekannt / indeme man mit der ordentlichen Beschreibung eines und des anderen bey Abschickung gegenwärtiger Nachricht annoch beschäftiget gewesen / so viel ist hingegen verläßlich wissend / daß nebst vorberührten 2 Hessischen Regimentern 700 Commandirte von Bayrischen Völkern / dann etwelche Husaren-Compagnien / in Summa also über 3000 Köpf gefangen worden.
Was übrigens eine nicht geringe Verwunderung hiebey verdienet / ist / daß erstlich unangesehen / des so schlechten Wetters / und wo die Wässer sich allenthalben ergossen / auch Wege und Strassen fast unwandelbar gemachet worden / von dene ausmarschirten Truppen kein Mann sich verloffen / oder zurukgeblieben / sondern alles mit grösten Eifer und Muht den Marsch gantz unverdrossen fortgesetzet / auch die Artillerie selbsten ohne einig-erlittenen Schaden fortgebracht worden. Andertens aber bey der Anruk- und Bestürmung durch das vom Feind aus groß- und kleinen Geschütz sehr stark-gemachte Feuer von denen Unsrigen an Todt- und Blessirten zusammen mehr nicht / dann etwas über 20 Mann (unter welch letzteren der Herr General-Feld-Marschall-Leutenant Graf von Broune / jedoch leicht in dem oberen Schenkel verwundet sich befindet) gezehlet werden.
Drittens man auch allererst bey Anlaufung an die Pallisaden noch hinter selbigen eine förmliche Brust-Wehr von Feind besetzter angetroffen / deme ungeachtet die Granadiers gedachte Pallisaden sowol als das Parapet mit ungemeiner Hertzhaftigkeit überstiegen haben / und endlich.
Viertens dieser Sturm bey helllichten Tag unternommen worden / so eben die Feind in die gröste Bestürtzung und Confusion gebracht / indem er sich niemahlens hätte beyfallen lassen / daß den nemlichen Tag als der Commandirende Herr General Graf Bathyani mit seinen Truppen davor geruket / er die Stadt mit Sturm anzugreiffen unternehmen solte / ein solches ist aber um so nöhtiger gewesen. Gestalten der Feind / wie er selbsten ausgesaget / die folgende Nacht auf denen dazu in Bereitschaft gehaltenen Schiffen sich fortzumachen entschlossen gewesen.
Der indessen mehrmalen voraus detachirte Herr General-Wachtmeister Baron von Trips hat die angefangene beglükte Progressen weiters fortgesetzet / und durch seine vorsichtige Anstalten es dahin gebracht / daß die Feinde bereits auch aus Landau / Plätling / Dinklfingen / und Eggenfelden zu weichen / und sich aufwärts zu ziehen veranlasset worden. Man ist nun von den ferneren Erfolg die umständlichere Nachrichten zu vernehmen gewärtig.